Oft weiß auch der Sortierer nicht wirklich, wohin mit sich selbst.

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Neuigkeiten aus dem Gemischtwarenladen.

Je mehr durchlebte Jahre ich meinem betriebseigenen Hippocampus zumute (also der internen Speicherplatte im Gehirn für das Nichtwiederbringbare), desto häufiger rückt die nüchterne Erkenntnis in den Vordergrund, dass die Hardware-Tüftler unserer Zeit, mit ihren so hochgelobten und oft überbezahlten Fähigkeiten, das Vorschulstadium noch nicht überschritten haben.

Meine, mir direkt bei der Produktion eingebaute und komplett ohne Update auskommende Speicherplatte, beliefert mich nächtens mit Geschichten aus Zeiten, als es wichtig schien zu wissen, ob Kirschkerne geschluckt oder doch besser als Waffe gegen den nichts ahnenden Kumpel genutzt werden sollten? Und all dies ohne fest vorgeschriebene Befehle oder hieroglyphisch anmutende Shortcuts.

Da mir jedoch kürzlich (und dies bereits zum wiederholten Mal) die Empfehlung zugesteckt wurde, sorgsamer mit meinen Ressourcen umzugehen, da man nie genau zu wissen vermag, was im fortgeschrittenen Alter noch umsetzbar sei, wurde augenblicklich an meinen internen Weichen herumgebastelt.

Und siehe da, obwohl von mir lange als spießig und «Spaßbremse des Lebens» eingeordnet, wagte ich trotzdem den nebenberuflichen Neustart als Sortierer. Eine fundierte, fachliche Ausbildung in dieser Tätigkeit kann ich zwar nicht vorweisen, doch habe ich mir geschworen, zukünftig Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Ganz ohne Gelben Sack. Einfach nur, um meine betriebsinterne Speicherplatte nicht zu überfordern. Denn wer wagt vorherzusagen, was das Theater des Lebens noch an Aufführungen für mich parat hat?

Jetzt, nach den ersten mittelprächtig verlaufenen Versuchen, muss ich mir eingestehen, mit der Umsetzung und der Vielfalt an Möglichkeiten des Sortierens regelmäßig an meine Grenzen zu geraten. Vielleicht lohnt doch der Versuch, das sich mir ständig in den Weg stellende Problem mit einem kleinen Beispiel zu veranschaulichen. Danach, so kann ich es mir zumindest vorstellen, wird der eine oder andere Leser die Möglichkeit einer Master-Ausbildung im Sortieren nicht mehr rigoros, so mir-nichts, dir-nichts, vom Tisch wischen.

Wohl für jeden nachvollziehbar und daher ohne weiteren Bedarf an Erklärungen, muss das regelmäßige Auftauchen der Frau auf den Bildern meiner Festplatte eingestuft werden, die in der Lage scheint, mir Wünsche von den Augen ablesen zu können und obendrauf mit all dem ausgestattet ist, was meine Sinne regelmäßig auf das Tanzparkett treibt.

Doch ab jetzt und sofort wird es kompliziert. In diese, wie von Künstlerhand erschaffene Idylle, verpackt in menschlicher Vollkommenheit, drängt sich dann jedoch plötzlich (und selbstverständlich ohne Einladung) Lucia.

Meine Nachbarin Lucia. Die Frau mit dem Intellekt einer ausgeschalteten Zentralheizung und den körperlichen Reizen eines Strommastes. Den Einschränkungen nicht genug, hegt und pflegt sie die feste Überzeugung, im verbalen Austausch mit den restlichen Bewohnern des Dorfes, stets sich der kroatischen Sprache zu bedienen. Warum ich trotzdem immer nur die Hälfte dessen verstehe, was die Dame mir so an die Wange klebt, wird wohl nie so wirklich zu klären sein.
Lucias Schafe scheinen allerdings jedes einzelne Wort ihrer Chefin zu verstehen. Dies wiederum treibt mir noch mehr Fragezeichen vor die Augen.

Auf jeden Fall (hier existiert auch keine Blockade-Funktion im Zulauf zum Gehirn) taucht sie in unregelmäßigen Abständen einfach so auf. Dabei bin ich mir zu 100 Prozent sicher, Lucia überhaupt nie einsortiert zu haben. An manchen Tagen kann ich eine gewisse Schlampigkeit bei der Arbeit (Sortieren) nicht gänzlich von mir weisen – doch dermaßen schludrig bin ich mit Sicherheit nicht.

Mal steht sie einfach mitten auf dem Feldweg, stützt sich auf dem Holzrechen ab und lächelt. Dies mag harmlos, gar freundlich klingen. Ist es leider für den Angelächelten nicht, da sie dabei das freilegt, was ursprünglich für Zähne vorgesehen war. Oder sie präsentiert mir voller Stolz das Lamm, das den darauffolgenden Sonntag waagerecht am Spieß verbringen wird. Mein Einwand, solche detaillierten Informationen bitte von mir fernzuhalten, wird nicht nur ignoriert, sondern auch noch mit der Weisheit unterlegt, dass so schließlich das Leben spiele. Hier schließt sich der Kreis und wir sind wieder bei der Zentralheizung, die in Lucias Leben eine so entscheidende Rolle spielt.

Ursprünglich hing ich eine ganze Weile dem Irrglauben nach, kleine Schläge auf den Hinterkopf könnten im Hippocampus die Löschtaste ersetzen. Dem ist jedoch nicht so, da derjenige, der während meiner Kindheit diese Methode an mir oft genug testete, auch noch seinen Platz auf der Festplatte beansprucht. Somit bliebe nur noch der Kurzschluss im Gehirn, was sich allerdings nicht sonderlich gesund anhört und bei Neurologen auf keiner Liste mit Empfehlungen für ein beschwerdefreies Leben zu finden ist.

Nicht gänzlich unerwähnt bleiben sollte das Phänomen, demzufolge trotz allem es manch einsortiertes Objekt nicht über einen längeren Zeitraum gegönnt scheint, bis in alle Ewigkeit abgespeichert zu verbleiben. Auch hierfür liegt ein Beispiel griffbereit. Es nennt sich selbst Volodymyr Selenskyj und dürfte wohl (sich in der philosophischen Anthropologie bedienend) als typisches Fabelwesen bezeichnet werden.

Erstmals in Erscheinung getreten auf der ukrainischen Volksbühne in der Rolle des Polit-Clowns. Wie das Phänomen es von den Brettern in Kiew auf meine Festplatte schaffte, verdeutlicht erneut, wie negativ sich die Sparsamkeit des Konstrukteurs von all dem, was wir von Gott gegeben bezeichnen, auf meinen Schlafrhythmus auswirken kann. Ein simpler, kleiner Filter und der Faxenmacher hätte es nie in mein Hirn geschafft.

Was soll ich machen? Jetzt ist er da und lässt sich auch nicht so wirklich vertreiben. Er tut zwar so, als ob, ist aber im nächsten Augenblick in neuer Erscheinung quicklebendig auf meiner Festplatte. Kaum als Clown ausgedient, rollt dieser Selenskyj als unreife Olive (grün) durch meine Träume. Wobei ich den Verdacht hege, dass diese Steinfrucht ihre Unreife nur vortäuscht, um von seiner eigentlichen Vollreife (braun-schwarz) das unwissende Publikum erst zu einem späteren Zeitpunkt kosten zu lassen.

Kaum scheint das olivgrüne Wesen auf meinem Hippocampus wie vom Schwarzen Meer verschluckt, rauscht er als UN-Generalsekretär, Friedensnobelpreisträger und EU-Ratspräsident in höchster Erwartung über mein ohnehin bereits leicht überfülltes Parkett. Entwarnung ist in dieser Hinsicht nicht angesagt. Presseagenturen sind sich einig in ihrer Prognose: Der nächste Papst heißt Volodymyr I. (die wandelbare Olive).

Hoffentlich erscheint er mir nicht noch vorher als Friedensengel auf dem Har ha-Bajit (Tempelberg). Dann wäre ein Kurzschluss wahrlich nicht mehr gänzlich auszuschließen.
Wo?
In Jerusalem oder in meinem Kopf?
Das bleibt abzuwarten.

Wie ihr nun leicht nachvollziehen könnt, ist es nicht leicht mit dem Sortieren, zumal man nie das Gefühl so wirklich abschütteln kann, lediglich im Zuge einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme an die Stelle geraten zu sein, an der in Wirklichkeit null und nichts zu sortieren ist, da mein Hippocampus sich für den freien Zulauf entschieden hat und ständig behauptet: «Wir schaffen das!»

Ein neuer Ausblick

Vor ein paar Tagen hielt ich während einer dieser völlig sinnlosen Aufräumaktionen, in deren Verlauf im Rumpel-Keller alles von links nach rechts verlagert wird, möglicherweise auch noch fünf krumme und völlig verrostete Nägel, eine leere Silikon-Kartusche und zwei Dosen mit verfestigten Farbresten entsorgt werden, aber ansonsten der komplette Kram nur darauf wartet, in absehbarer Zeit den Rückweg anzutreten, einen alten, hölzernen Fensterrahmen in der Hand.

Hätte ich den Rahmen, in dem Augenblick, als sein Dasein im Keller den Anfang nahm, bei jeder Berührung mit einer Markierung versehen, es hätte sich so einiges an Strichen angesammelt. Somit höchste Zeit für eine spontane Befreiungsaktion. Doch, kaum am Tageslicht, stellte sich mir eine ganz entscheidende Frage in die Quere: und jetzt?
Wohl ein grundlegendes Problem, dem im Vorfeld von Befreiungsaktionen viel zu wenig Beachtung beigemessen wird. Freiheit ist ja grundsätzlich eine feine Sache – jedoch nur noch halb so spannend, wenn man mit ihr nicht viel anzufangen weiß.

Eine wunderbare Gelegenheit, das in Angriff zu nehmen, von dem ich fest überzeugt bin, es mit Hingabe und nahe der Perfektion zu beherrschen: den Hintern im bequemen Sessel auf der Terrasse zu parken und so tun, als würde ich intensiv nachdenken. Da vorgegaukeltes Gedanken-Schach und der verträumte Blick in die Natur wie geschaffen füreinander scheinen, justierte auch ich meine Augen auf das Natur-Panorama vor meiner Tür.

Es möge sich nun bitte der erheben, der zu behaupten wagt, dass sinnfreies Herumsitzen und dabei Löcher in den Wald zu klotzen, nicht in einer kreativen Schaffensphase enden kann. Zwei frei Hand gebogene Haken an das Gerüst für Flieder, Kletterrose und Reben, Fensterrahmen eingehängt und schon kann ich (je nach Standort) mir Tag für Tag ein neues Bild von meiner heimatlichen Umgebung machen.

Erst sortiert und dann auch noch nachgedacht – wenn das nicht hungrig macht …

Grüner Spargel, Lauchgemüse und pochiertes Ei

Die Spargelsaison in vollem Gang, der Lauch hat den Winter im Beet verbracht und die Hühner scheinen in einer wahren Lege-Laune. Somit der ideale Zeitpunkt, sich der Rohprodukte anzunehmen, um sie in ihrer Konsistenz so zu verändern, damit auch Gaumen und Magen auf ihre Kosten kommen.

Die grünen Spargelstangen sollten (wenn überhaupt notwendig) vom ‘verholzten’ Teil befreit werden. Ich habe mir es angewöhnt, den unteren Teil (max. 5 cm) zu schälen. Danach würze ich das Gemüse mit etwas Kräutersalz und einer Prise Zucker.
Ein Blatt Filoteig wird mit zerlassener Butter bestrichen, die rohen Spargelstangen gesellen sich mittig bei und werden dann zu einem Päckchen geformt. Mit Ei bestreichen, geriebenen Parmesan aufstreuen und bei 170° circa 25 Min. (Umluft) backen.

Den geputzten Lauch schneide ich in grobe Stücke und gönne ihm anschließend ein zweiminütiges Bad in kochendem, leicht gesalzenem Wasser. Das Wasser wird abgegossen und durch frische Sahne ersetzt. Muskat, etwas Gorgonzola, Kräutersalz und gemahlener Pfeffer peppen das Ganze auf. Diese Mischung köchelt dann noch 3 Minuten. Dann dürfte der Lauch fertig sein.

Für das pochierte Ei braucht es wohl keine Gebrauchsanleitung. Ich konnte nach dem Anrichten nicht widerstehen und habe dem Mittagessen noch ein Hauch Chili verpasst.

Guten Appetit!

Ich bedanke mich für euren Besuch und dem mitgebrachten Interesse an den Produkten im einmal wöchentlich geöffneten Gemischtwarenladen.



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Am frühen Morgen bereits mit Sonnenaufgang sich mit den Höhen und tiefen Abgründen des eigenen Unterbewusstseins zu beschäftigen anstatt bei einem Kaffee oder einem Kakao die erst später auftauchende Erkenntnis der natürlichen Schönjeit zu genießen erscheint mir doch ein recht unsanftes Weckprogramm zu sein, dass mich gestern ähnlich übel aus dem Schlaf zu reißen vermochte.

Ob des bislang verschollenen Meisterwerkes von Leonardo - dem Lächeln der Lucia - wegen oder dem Monster in Olive ist dabei erst einmal sekundär.

Vielmehr scheint es so, als ob der Stresstraum deines Stammmhirns mit seinen mehr als acht Kernen Dir zu verstehen geben wollte Dich mehr mit den Schönheiten des Lebens zu befassen, welche im übrigen nicht nur bei Dir inzwischen eine engerahmt das göttliche Wesen der Schöpfung Gen Himmel anzupreisen pflegen.

Letzteres ein Geschenk, das auszusortieren ich nicht wagen würde, genauso wenig wie die Mandelkerne einer Liebenden Seele in Deinem Leben, womit wir wieder beim Lächeln der Lucia wären...😉

✨🦋🙏

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Der lockere Umgang mit Bausteinen aus meiner kleinen Erzählung und deren humorvolle Einbettung in deinen Kommentar nehme ich liebend gern als eine positive Kritik entgegen.
Ohne Zweifel das Lieblingsgericht des Schreiberlings. 😊

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