Gemischtwarenladen der Gefühle

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Sie befinden sich auf jeder Zutatenliste und doch immer was anderes drin!

Wir reden über das Gefühl.
Manchmal so federleicht
Wie die Scheibe aus Acryl.
Kuschelt sich sanft an mich
Und bittet ganz, ganz leise
Um das heiß begehrte Nachtasyl.
Besteht es gar aus Atomen?
Ist es womöglich ein selten Molekül?
Zeigt es sich beständig und stabil?
Folgt es mir - also stets mobil?
Doch Vorsicht ist geboten
Dass ich es nicht runterspül’
Dies komische Gefühl.

Heute befülle ich die Regale mit einer Substanz, die all das in sich birgt, was das Zeug mitbringt, ein echter Verkaufsschlager zu werden. Nur, zu einer Vorhersage, welches der Produkte aus der Familie der Gefühle es bis zum Warenscanner an der Kasse schafft, würde und will ich mich nicht verleiten lassen. Jener zukunftsgerichtete Blick wäre zu sehr von dem belastet, was allgemein als Bauchgefühl bezeichnet wird und somit, insbesondere in diesem speziellen Fall, als mittelbar befangen eingestuft werden müsste.

Grundlegend sollte ich mich vorab der Frage stellen, wie überhaupt ein Regal mit etwas befüllt wird, was zu keiner Zeit verlässlich greifbar scheint. Kaum mit einer Variante des Produkts angefreundet und nur kurz sich anderweitig orientiert, treffe ich bei meiner Rückkehr meist auf eine neue Variante der Variante, die mir Augenblicke zuvor jenes wunderbare Gefühl schenkte.

Ich möchte es an einem Beispiel verdeutlichen. Nach wochenlanger Schwerstarbeit auf dem Feld des Ackerns und Baggerns rund um den Wirkungskreis der Frau, die meine sämtlichen Sinne zum Tanzen bringen vermag, habe ich es endlich geschafft, all meine überschäumenden Emotionen in Worte zu packen und zu einem kleinen Geschenkpaket zu schnüren, welches ich der Angebeteten just in diesem Moment auszuhändigen gedenke, da ansonsten meine Gefühlswelt aus den Fugen zu geraten droht.

„Darf ich dir etwas verraten?“
„Nur zu. Aber pass auf, nicht, dass du es anschließend bereust.“
Kann mir jemand verraten, weshalb Frauen immer dann auf eine Frage eine Antwort parat haben, wenn der Mann bereits drei Sätze weiter ist, da überhaupt keine Replik in seinem vorher zurechtgelegten Plan eingeflochten war? Also ignoriere ich das Gesagte, um nur ja die Wolke auf ihrem Weg in Richtung siebter Himmel nicht verlassen zu müssen.
„Egal, wie ich mich drehe oder wende, schlafe, träume oder hellwach bin, mich lässt das Gefühl nicht mehr los, an deiner Seite bis in alle Ewigkeiten schreiten zu wollen.“
„Besitzt du überhaupt das passende Schuhwerk für eine solche Expedition?“

Vier verhältnismäßig kurze Sätze und haargenau jene Situation ist geschaffen, die du vorfindest, wenn du dich durch Störfeuer, angefacht durch Dinge wie Schuhwerk und Expedition, aus dem Meer deiner wogenden Gefühle locken lässt und jetzt krampfhaft versuchst, wieder dort einzutauchen. Vorbei. Vergiss es einfach. Da kannst du paddeln so lange du willst – die nahezu perfekte Welle hat der Ufersand längst verschluckt.

Sich hinter Gefühlen verstecken

Höchstwahrscheinlich wäre es sogar besser, das aufgewühlte Nass zu verlassen und sich (zum besseren Verständnis) der Achterbahn der Gefühle zuzuwenden? Nicht ganz ohne Grund zieht uns der entstehende Sog von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt. Mit diesen Worten beschreibt es zumindest J. W. Goethe, der bekanntermaßen in seiner Jugend das Verliebtsein zum Standardprogramm erhob und trotzdem erst mit Mitte zwanzig erstmals zum Zuge kam. Wenn das kein Gefühlschaos ist, dann weiß ich auch nicht mehr weiter. Andererseits blieb ihm dadurch auch mehr Zeit zum Schreiben, da ihn keine Angebetete nach dem Schuhwerk und dem Basiscamp als Beginn einer Expedition befragte.

Was hat der Jahrmarkt der Gefühle sonst noch auf Lager?
Wie schwer wir uns in der Regel damit tun, das nicht Greifbare in Worte zu fassen, lässt sich leicht daran erkennen, wie leichtfertig wir dem Gefühl ein Verb oder ein Substantiv zur Seite stellen und anschließend fest davon ausgehen, uns klar und deutlich ausgedrückt zu haben.
Ohne uns darüber bewusst zu sein, mit dieser regelrechten Zwangsheirat, der mannigfaltigen Deutung Tür und Tor geöffnet zu haben.

Höchste Zeit für ein weiteres Beispiel.
Es ist ein üblicher Nachmittag im Hochsommer auf dem Balkan. Der kleine Zeiger der Uhr schmiegt sich an die 4, während die Quecksilbersäule am Thermometer mit der 38 liebäugelt. Wer um diese Uhrzeit und bei der Hitze sein Heu einbringen muss, der darf mit Fug und Recht als arme Sau bezeichnet werden.
Meine Frau und ich sitzen vor dem Haus im Schatten, schlürfen dabei ganz entspannt am frisch aufgebrühten Pfefferminz/Salbei-Tee und naschen genüsslich vom süßen Apfelstrudel, neben den sich noch ein nicht zu übersehender Hügel Zimteis verirrt hat.

Somit ideale Bedingungen, um der Hitze weiträumig aus dem Weg zu gehen.
Wir Menschen sollten übrigens einfach nur die Tiere beobachten, wie sie sich solchen Gegebenheiten anpassen. Amigo, der gefährlichste Wachhund südwestlich des Urals, findet man dann entweder auf dem kühlen Lehmboden im Weinkeller oder auf den Bodenfliesen in jenem Raum, der mit einer 60 cm dicken Natursteinmauer umgeben, als Kühlkammer für das Gemüse bestens taugt. Doch heute bedarf es keines Pfiffes, um den Meister an meine Seite zu beordern.

Mein Beschützer und Navigator während der Pilzsuche sitzt seit geschlagenen zehn Minuten mir gegenüber und starrt mich, ohne mit der Wimper zu zucken, unentwegt an. Der Versuch, sich als Sphinx neu zu erfinden, halte ich für wenig wahrscheinlich, da Amigo sich bislang mit der ägyptischen Mythologie nicht wirklich beschäftigte. Hätte es je ein solches Fabelwesen mit einem Stock quer im Maul gegeben, sähe die Sache vielleicht anders aus.

Ebenfalls auszuschließen, eine plötzlich eingetretene Schockstarre, da jedes Mal, wenn ein Stück Apfelstrudel in meinem Mund verschwindet, ihm ein jammerndes Winseln entweicht, wie ich es bislang nur einmal von meiner Schwester vernahm, und zwar dann, als ihr Hamster das Zeitliche segnete. Klar weiß ich, auf was der Hypnotiseur im ersten Lehrjahr es abgesehen hat.
Das, was du da hast, genau das will ich auch.

Obwohl bereits vor Jahren durch ein Abkommen beschlossen, welches festlegt, dass ich meinen Kopf nicht in seinen Fressnapf stecke, solange er darauf verzichtet, sich einen unserer Stühle beim Mittagessen unter der Hintern zu ziehen. Ich darf die Gelegenheit nutzen und darauf hinweisen, mich stets an das Abgemachte gehalten zu haben. Was meinen Vertragspartner betrifft, gerate ich sehr ins Zweifeln, da seine dilettantischen Versuche mit der „Hypnose für ganz Arme“ bei Frauchen in der Regel funktionieren.

Amigo – Hypnotiseur in der Ausbildung

„Du siehst doch, wie er dich so lieb anschaut. Warum gönnst du ihm nicht ein kleines Stück?“
„Ganz einfach, weil mir das, was hier auf meinem Teller liegt, zu gut schmeckt. Wäre es ein Marmorkuchen, könnte er meinetwegen über das Gebackene mitsamt der Kuchenplatte herfallen.“
„Wie kann man nur so herzlos sein? Amigo, schau mal, was ich hier für dich habe.“
Wenn ein Vorgang (auch wenn er einem nicht in den Kram passt) ohnehin nicht zu verhindern ist, lohnt kein anschließendes Palaver. So halte ich den Mund und kümmere mich lieber um ein paar Gedanken, die sich im Zusammenhang mit dem Geschehenen zu mir gesellten.

Sie sagt zwar herzlos, meint jedoch gefühlskalt. Aber was nutzt es, umgehend den Anatomieatlas aus dem Bücherregal zu ziehen, wenn die Antwort vorhersehbar ist.
„Haarspalter.“
Und trotzdem ist dann noch immer nicht geklärt, was die Gefühlskälte eigentlich sein soll? Es existieren wohl überhaupt keine Gefühle mit Temperaturanzeige. Gefühle auf Eis zu legen oder wie aus einem Vulkan sprudeln zu lassen – könnte mir jemand dies bitte anschaulich demonstrieren? Wobei ich die Variante mit der Kühlkammer noch gut fände, da sie sich dann länger frisch halten. Zumindest besser, als das komplette Sortiment an Gefühlen mit einer Eruption zu verschleudern. Dann stehst du nämlich im Anschluss mit leeren Händen da, wenn dich jemand fragen sollte, welche Regungen augenblicklich noch in dir drin verfügbar sind.

Aber, wenn ich es mir richtig überlege, seit wann braucht es Hände für etwas, das ohnehin nicht greifbar ist?

Emotionen Gefühl Sonne – Kostenloses Bild auf Pixabay

Wie war das noch mit diesem Apfelstrudel?

Ich glaube recht in der Annahme zu gehen, dass sich nun der Eine oder Andere fragen wird, was es mit diesem Apfelstrudel überhaupt so auf sich hat, um bei Mensch und Tier gleichermaßen hoch im Kurs zu stehen?

Kein Problem! Hier folgen ein paar fotografische Eindrücke und die unverzichtbare Gebrauchsanleitung zum Nachbau.

Apfelstrudel mit Zimteis und Himbeeren

Nachdem der Strudelteig seine Ruhephase hinter sich hat, breite ich ein Leintuch auf dem Tisch aus, rolle den Teig leicht aus und beginne ihn dann auszuziehen.
Vorher habe ich die Äpfel entkernt (wer will, kann sie auch schälen), grob gerieben und mit etwas Zucker, Vanille und ein paar Rosinen vermischt. Auf den Zimt verzichte ich, da ja letztlich das Eis dieses Gewürz in sich trägt.

Manche gehen hin und bepinseln vorher den ausgezogenen Zeig mit zerlassener Butter, damit beim Backen die Teigschichten nicht aneinander kleben. Kann man machen – aber keineswegs eine Pflichtaufgabe. Ist die Apfelmasse auf dem Teig gleichmäßig verteilt, greife ich am oberen Teil die beiden Zipfel des Leintuchs und rolle den Strudel zusammen.
Einmal auf dem Backblech gelandet, pinsele ich ihn mit Ei ein und schiebe ihn bei 180° Umluft für 30 bis 35 Minuten in den Backofen.

Die Teigreste werden selbstverständlich nicht weggeworfen, sondern einfach mitgebacken. Mit angemachtem Quark und vielen frischen Kräutern – besser als jeder gekaufte Cracker.
Zum Zimteis gibt es eigentlich nicht sonderlich viel zu sagen. Es wird das gleiche Rezept wie für ein Vanilleeis genutzt, nur gibt man (bevor es in die Eismaschine geht) noch Zimt bei.
Wer sich dem Aufwand nicht hingeben will, der kauft ein gutes Vanilleeis, lässt dies minimal „antauen“ und rührt dann Zimt bei. Zurück in das Gefrierfach und das Zimteis kann nach kurzer Zeit genossen werden.

Bis zum nächsten Gemischtwarenladen wünsche ich einen guten Appetit, bleibt gesund und munter und vertraut immer (vielleicht aber doch nicht) eurem Bauchgefühl.

Das Schlusswort zu diesem Thema überlasse ich Annett Louisan.



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6 comments
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Da kommen Kindheitserinnerungen!!
Omas Apfelstrudel, der Teig über den ganzen Küchentisch ausgebreitet,
und mit dem Tuch eingedreht..., und der Geruch der sich über das ganze Haus verteilte...
Danke!

lg !PGM , !LOL mit etwas !hiqvote 🤠

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Was dabei beinahe schmerzhaft war und ist – der Strudel ist längst verputzt, der Geeruch liegt jedoch noch immer in der Luft! Da kannst du nur noch den Teller ablecken. 😋😊

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